Earn-outs: Das sind die größten Fallstricke

Earn-outs: Das sind die größten Fallstricke

erschienen im financemagazin

Bei M&A-Deals können Earn-outs helfen, unterschiedliche Preisvorstellungen zu überbrücken. Diese entscheidenden Regeln müssen Käufer und Verkäufer beachten, um nicht ins Hintertreffen zu geraten.
Bei fast allen M&A-Deals tritt früher oder später der klassische Konflikt zutage: Der Käufer möchte einen möglichst niedrigen Kaufpreis zahlen, der Verkäufer dagegen den größtmöglichen Erlös erzielen. Wenn sich mit Multiples-Berechnungen und Verhandlungen allein keine Einigung abzeichnet, können Earn-out-Zahlungen helfen, beide Fronten zu versöhnen.

Earn-outs teilen den Kaufpreis in zwei Komponenten auf: die fixe wird direkt fällig, eine weitere Zahlung erhält der Verkäufer später, sofern das Unternehmen bestimmte zuvor definierte Meilensteine erreicht.

Earn-outs bilden Entwicklungen ab
Oft sind das Punkte im Businessplan, die die Käufer während der Verhandlungen zuvor nicht für bare Münze nehmen wollten. Die Earn-outs orientieren sich in der Regel an der Entwicklung des Umsatzes oder des operativen Gewinns. Meist zählt ein Zeitraum zwischen 12 und 24 Monaten nach dem Verkauf, mitunter sogar noch länger.

Doch was vom Prinzip her simpel klingt, birgt Sprengstoff. Das beginnt schon damit, dass der Verkäufer nach wie vor ein unternehmerisches Restrisiko trägt – schließlich hängt es von der weiteren Entwicklung des verkauften Unternehmens ab, ob er die Earn-out-Zahlung erhält – und diese kann üppig ausfallen. „Earn-outs machen häufig zwischen 10 und 20 Prozent des Kaufpreises aus“, sagt M&A-Berater Carsten Häming, Managing Partner der Corporate Finance Mittelstandsberatung in Düsseldorf.

Verkäufer können Erlös mit Earn-outs steigern
Gerade bei mittelständischen Deals mit einem Volumen unter 100 Millionen Euro werden Earn-outs oft genutzt. Ein klassischer Fall, in dem sie helfen können, sind Unternehmen, die von Jahr zu Jahr stark wachsen. „Mit einem Earn-out kann der Verkäufer seinen Verkaufserlös steigern, wenn das Wachstum auch nach dem Verkauf anhält“, sagt Carsten Häming. Wenn sich die Wachstumshoffnung nicht bewahrheitet, zahlt der Käufer den Earn-out dagegen nicht. Dadurch sinkt sein Risiko, zu viel zu bezahlen.

Doch auch Verkäufer von Unternehmen, die eine Restrukturierung durchlaufen haben, nutzen das Instrument gern. Kaufinteressenten sehen nach einer Sanierungsphase in der Regel mehrere Geschäftsjahre mit schwachen Zahlen, die keine hohe Bewertung rechtfertigen. Eine Earn-out-Zahlung kann dagegen zum Tragen kommen, wenn sich zeigt, dass der Turnaround geglückt ist und sich die Geschäftszahlen nach der Transaktion tatsächlich verbessern.

Verkäufer müssen Einfluss auf M&A-Target wahren
Für beide Seiten ist die Phase bis zur Fälligkeit des Earn-outs allerdings heikel: Verkäufer müssen darauf achten, dass sie noch ausreichend Einfluss auf die Geschäftsentwicklung haben, um ihren Earn-out auch erzielen zu können. „Verkäufer akzeptieren Earn-outs in der Regel nur, wenn auch ihr Management noch für mindestens ein Jahr an Bord bleiben und Einfluss auf die weitere Entwicklung nehmen kann“, erklärt Häming. In Zeiten wie jetzt, in denen nicht viele interessante M&A-Zielunternehmen am Markt sind, wissen die Verkäufer um ihre starke Position. Beim Thema Earn-out verhandeln sie zum Beispiel hart, wenn es darum geht, ihren Einfluss auf das Management zu wahren.
Bei der Ausgestaltung der weiteren Zusammenarbeit lohnt ein kritischer Blick auf die vertraglichen Details: „Die Prämissen, unter denen das Unternehmen weitergeführt wird, müssen mit denen vor dem Verkauf vergleichbar bleiben“, mahnt M&A-Berater Häming. Sonst könnten die Käufer dem Neuerwerb beispielsweise hohe Overhead-Kosten aufbürden – ein Trick, um den Weg zu den vereinbarten Meilensteinen deutlich zu erschweren.

Earn-outs dürfen keine Fehlanreize setzen
Doch auch für die Käufer ist es eine schwierige Situation, wenn das Management, dem der Verkäufer vertraut, noch an Bord bleibt. Zwar kann eine geordnete Übergabe in vielen Bereichen hilfreich sein, doch auch in diesem Punkt müssen die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit genau definiert sein. Sonst drohen Fehlentwicklungen. Schließlich trägt der Verkäufer nur noch für den überschaubaren Zeitraum bis zum Auszahlen des Earn-outs ein finanzielles Restrisiko, der Käufer setzt aber auf eine viel längere Zukunftsperspektive.
Schlimmstenfalls könnte der Verkäufer seinen Einfluss auf das Management nutzen, um das Ergebnis kurzfristig mit riskanten Entscheidungen zu steigern. Diese Punkte könnten dem Unternehmen danach womöglich wieder auf die Füße fallen, wenn der Verkäufer seine Earn-out-Zahlung längst erhalten hat. „Auch in diesem Punkt gilt: Je besser man die Zusammenarbeit im M&A-Vertrag abbildet, umso weniger Probleme gibt es im Nachhinein“, sagt Häming.

Erarbeitung von Earn-outs braucht Zeit
Diese Szenarien illustrieren aber auch die vielleicht größte Stärke von Earn-out-Regelungen: Sie lassen sich flexibel gestalten. Wenn beide Seiten Schwierigkeiten damit haben, sich etwa auf Zeitpunkt und Höhe der Zahlungen zu einigen, können Stufenregelungen einen Kompromiss darstellen. „Dazu definieren Käufer und Verkäufer unterschiedliche Schwellenwerte für verschieden hohe Zahlungen. Je nachdem, welche Schwelle am Ende erreicht wird, zahlt der Käufer einen kleinen, mittleren oder größeren Earn-out-Betrag“, erklärt Häming.
Er rät, während der M&A-Verhandlungen in jedem Fall genügend Zeit für die Erarbeitung der Earn-outs einzuplanen und deren Ausgestaltung erfahrenen M&A-Juristen zu überlassen. Inklusive Feedback- und Überarbeitungsschleifen dauere es oft mehrere Wochen, bis ein für alle Seiten tragbarer Kompromiss steht.